Text: Valdo Silva Carneiro e Silva

Edvaldo Carneiro e Silva, besser bekannt als Camisa Roxa, bei seinen Zeitgenossen und Künstlern einfach nur Camisa, war der große Verbreiter der brasilianischen Volkskunst in der ganzen Welt, vor allem in Europa.

Heute finden wir in beinahe jedem Land und auf jedem Kontinent Capoeira. Vor über 48 Jahren, als er zum ersten Mal eine Gruppe Capoeiristas ins Ausland mitnahm, setzte er alles auf dieses Projekt, an das niemand außer ihnen selbst glaubte. Sie glaubten daran, als Wegbereiter für Capoeira und die Capoeirista, aber sie hatten keine Vorstellung davon, was sie für eine Bedeutung für die Ausbreitung der Capoeirakunst haben sollten. Camisa Roxa hatte verschiedene Berufe, neben Unternehmer im Kulturbereich war er auch als Landwirt tätig und Capoeirista.

Camisa Roxa, der Capoeirista

Von Camisa Roxa zu sprechen, ist wie von einer Legende zu sprechen: Er galt als einer der besten Schüler von Mestre Bimba. „In den 60er Jahren wurde er als der beste Spieler der Capoeira Regional von Bahia (und Brasilien) bezeichnet“ (Nestor Capoeira).

Er war einer der ersten Schüler von Mestre Bimba, der an den traditionellen Capoeira-Rodas in Bahia teilnahm. Er war dort auf Grund seiner Einstellung und der tiefen Kenntnis der Grundlagen des Capoeiraspiels sehr angesehen. Abgesehen davon, dass er mit den Gründern der Gruppe Senzala aus Rio trainiert hat, war er es, der sie in die Academia von Mestre Bimba und Capoeira de Angola in Bahia brachte. Camisa Roxas Vorstellung von Capoeira war die eines einzigen Ganzen, das die Stile Regional und Angola miteinander vereint. „In Wirklichkeit haben nur wenige Personen die wahre Intention von Mestre Bimba verstanden,“ erklärte Camisa Roxa. „Zuerst lehrte er mit seiner Methode ein hohes Capoeiraspiel, aber mit der Zeit musste man lernen, tief zu spielen“, fügte er hinzu. Mit dieser Denkweise wurde Camisa Roxa zu einem Wegbereiter der Capoeira. Er wird als der Capoeirista angesehen, der am meisten zur Verbreitung von Capoeira in der Welt beigetragen hat, er bereiste mehr als 60 Länder und brachte dabei Capoeira als Manifestation der brasilianischen Kunst und Kultur mit.

Camisa Roxa, ein Visionär und Organisator

Einen großen Teil seiner Zeit verbrachte er mit Nachforschungen über Capoeira, immer auf der Suche nach neuen Wegen und einer Erweiterung seiner Sichtweisen. Indem er seine Erfahrung an die derzeitige und die zukünftige Generation weitergab, versuchte er der Capoeira das zurückzugeben, was sie ihm im Laufe seines eigenen Lebensweges gegeben hatte. Dieser Lebensweg war gekennzeichnet von Bescheidenheit, Idealismus und Liebe zur Capoeira. Er war einer der ersten Capoeiristas, der eine bessere Zukunft für Capoeira vorausgesehen hat, indem er verstand, dass Professionalität und Organisation grundlegende Ziele sind, um voran zu kommen und Capoeira in die Welt zu bringen. Für ihn müsste es mehr Einheit zwischen den verschiedenen Gruppen geben, damit es möglich wird, ein System in die Aktivitäten und in den Unterricht zu bringen. „Vielleicht würde eine diszipliniertere Capoeira, mit mehr Einheit zwischen den Leitern zu einer Capoeira mit mehr Verantwortungsgefühl und Professionalität führen,“ bekräftigte er. „Wir können die Zukunft nicht vorhersagen, aber ich denke dass eine EINHEIT zwischen den verschiedenen Bereichen noch mehr helfen würde, dass Capoeira in Europa und der ganzen Welt verbreitet und verfestigt wird.“ In diesem Sinne hat er auch die Festa da Capoeira da Bahia 2010 geschaffen, wo jährlich verschiedene Bereiche der Capoeira vereint werden, und Personen geehrt werden, die einen Beitrag zur Entwicklung der Capoeira geleistet haben (www.festa-da-capoeira.com). Ab den 1980er Jahren nahm er an verschiedenen Capoeiratreffen in Amsterdam, Paris, Hamburg und Berlin teil, realisierte Veranstaltungen und brachte verschiedene Capoeiristas aus Brasilien nach Europa: Capoeirakurse mit Mestre Camisa in München, Deutschland, organisiert von Martinho Fiúza (1985 und 1986), Frühlingstreffen in Salzburg mit Mestre Camisa, Mestre Moraes und Mestre Santana (1992) und viele andere. Diese Treffen wurden zu einem Ausgangspunkt für viele weitere Capoeira-Projekte. Er brachte seine Kenntnisse als Leiter von Aufführungen und Präsentationstechniken in die Capoeira ein. Bei den Europameisterschaften in Salzburg, Österreich, 2010, konnte er seine Erfahrung mit professionellen Vorführungen präsentieren.

Camisa Roxa, der „Kulturbotschafter“

Nachdem er in verschiedene Academias und Klubs in Salvador unterrichtet hatte, gründete Camisa Roxa seine Gruppe und beschloss, seine Kunst in der Welt zu verbreiten. Mit dieser Gruppe unternahm die er seine erste Reise, um Capoeira im Ausland bekannt zu machen, zum Festival von Salta in Argentinien. Von da an ging es immer weiter, er begann einen richtigen Marathon (1966-1973) durch Amerika. Er gewann immer mehr Erfahrung hinzu und ergänzte seine Vorführungen mit weiteren Ausdrucksformen brasilianischer Kultur. Im Jahr 1973 unternahm Camisa Roxa seine erste Reise nach Europa. Mit seiner Gruppe präsentierte er sich auf der ganzen Welt – in Theatern und auch im Fernsehen (ORF, ZDF, RAI, BBC), bei Shows, Treffen und Seminaren. Die Formation trat über 40 Jahre lang auf, mit 40 Mitwirkenden und 400 Figuren. 1974 wurde die Show von Brasil Tropical anlässlich der Eröffnung der Fußball-Weltmeisterschaft in die ganze Welt übertragen. Die Show wurde von Kritikern gelobt und erhielt Applaus von Zuschauern in über 60 Ländern – mit über 10.000 Vorstellungen, die von insgesamt ca. 1 Million Zuschauern in der ganzen Welt gesehen wurden. Die Begeisterung der Europäer für die Shows öffnete für die Capoeiristas und die Tänzer Türen, um sich in Europa niederzulassen, dies hat das Leben vieler verändert. (www.brasil-tropical.com) Die Aufmerksamkeit der Welt auf den Reichtum der brasilianischen Volkskultur zu lenken – dafür scheute er keine Mühen. Er widmete sich über 40 Jahre seines Lebens diesem Projekt und half damit tausenden Personen zu einem Beruf, mit dem sie den Reichtum dieser Kunst der Welt zeigen können.

Heute danken die Capoeira und die Künstler diesem großen Mann, indem er als wahrer Botschafter der brasilianischen Kultur geehrt wird.